Nate schrieb:
Jetzt ist die Katze aus dem Sack.
Fahrverbote werden kommen. Unweigerlich. Heute hat der BW-Ministerpräsident gewettert, dass die Bundesregierung es bis jetzt nicht geschafft hat, alle Fahrzeughalter mit Autos, die mit Schummelsoftware ausgeliefert wurden, noch nicht alle ihr Update erhalten haben. Und das solle gefälligst schnellstens umgesetzt werden. Die Bundesregierung sei hier in der Pflicht. Die blauen Plaketten sollen eingeführt werden und Fahrverbote bei entsprechender Schadstoffbelastung ausgesprochen werden. Freie Fahrt gibt es nur für modernste wenige Euro 6 Diesel. Kretschmann will sich vehement dafür einsetzen.
Je nach Wetterlage im Sommer ist garantiert mit hoher Schadstoffbelastung zu rechnen. Die Industrie kann ja nicht stillgelegt werden. Also bleibt nur die Möglichkeit, die Autos aus den Städten zu verbannen. Lt. verschiedenen Nachrichtensendern sollen von der Politik zeitnah Löungen offeriert werden.
VW Chef Müller hat heute nochmals bei der Messe mitgeteilt, dass er von einer Nachbesserung der Euro 5 Fahrzueuge gar nichts hält. Ein gewisser Wertverlust sei zwar tatsächlich vorhanden, aber halt nicht zu verhindern. Er sieht eine Nachbesserung von Fahrzeugen mit schlechter Schadstoffeinstufung nicht als den richtigen Weg.
Man kann bei den Aussagen, die man dan in den Nachrichten so locker vom Hocker untergejubelt bekommt, nur noch so staunen. Mal sehen was da noch so kommt.
Habt Ihr es auch gesehen?
Ich bin mal wieder ganz schön gefrustet.
Es tut mir leid lieber Nate, dass du wegen dieses Themas jetzt wieder so gefrustet bist. Ich will daher nachfolgend versuchen, dich (und andere Mitglieder) wieder ein wenig zu entfrusten. Leider ist die Darstellung in den Medien über Fahrverbote und das Urteil des BVerwG sehr einseitig in die Richtung, dass uns allen, soweit wir Dieselfahrer sind, noch dieses Jahr Fahrverbote drohen. Das ist jedoch Unsinn.
Zunächst hat das BVerwG klargestellt, dass mit einer Schadstoffreduzierung begründete Fahrverbote frühestens 4 Jahre nach Inkrafttreten einer neunen Abgasnorm angeordnet werden können. Für die Euro-5-Diesel bedeutet dies, dass sie nicht vor dem 01.09.2019 und für die Euro-6-Diesel nicht vor dem 01.09.2022 kommen können, und zwar selbst dann nicht, wenn die Fahrzeuge nicht über einen SCR-Kat verfügen. Da es keine Tiguans unterhalb von Euro 5 gibt, können also dieses Jahr Fahrverbote nicht mehr kommen. Und für alle ab dem 01.09.2015 erstmals zugelassen Fahrzeuge läuft die Frist noch mindestens bis zum 31.08.2022.
Aber auch dann sind Fahrverbote allein auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht eher unwahrscheinlich. Das BVerwG hat nämlich anders noch als die Vorinstanzen (VG Stuttgart und VG Düsseldorf) entschieden, dass die StVO zonen- und streckenbezogenen Fahrverbote nur für Dieselfahrzeuge nicht zulässt. Es hat dann in seiner Pressemitteilung wie folgt ausgeführt:
"Mit Blick auf die unionsrechtliche Verpflichtung zurschnellstmöglichen Einhaltung der NO2-Grenzwerte ergibt sich jedoch aus derRechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass nationales Recht,dessen unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, unangewendet bleibenmuss, wenn dies für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist.Deshalb bleiben die „Plakettenregelung“ sowie die StVO, soweit diese der Verpflichtungzur Grenzwerteinhaltung entgegenstehen, unangewendet, wenn ein Verkehrsverbotfür Diesel-Kraftfahrzeuge sich als die einzig geeignete Maßnahme erweist, denZeitraum einer Nichteinhaltung der NO2 -Grenzwerte so kurz wie möglich zuhalten."
Die Rechtsgrundlage zum Erlass von Fahrverboten wird also unmittelbar aus dem Unionsrecht hergeleitet. Die StVO sei nicht anwendbar. Diese Ansicht an sich ist schon sehr ungewöhnlich und fragwürdig. Doch wenn ein Fahrverbot nicht auf der Grundlage der StVO sondern des Unionsrecht angeordnet wird, können Verstöße dagegen auch nicht auf der Grundlage der StVO sanktioniert werden. Passende Bußgeldtatbestände enthält das Unionsrecht aber nicht, so dass Fahrverbote, wie sie das BVerwG für möglich erachtet, zwangsweise ins Leere laufen müssen, wenn man den Verstoß nicht ahnden kann. Ich bin sicher, dass dies irgendwann auch den zuständigen Städten und Gemeinden auffallen wird und dann dürfte das Thema erst einmal durch sein. Die Entscheidung des BVerwG hat viel Wirbel verursacht, aber sie wird m.E. absolut nichts bewegen, wobei man sich allerdings ein abschließendes Urteil erst dann bilden kann, wenn die Entscheidung auch im Volltext veröffentlicht wurde. Bisher existiert nur die vom BVerwG veröffentlichte Pressemitteilung, die das Ergebnis natürlich nur in Kurzform darstellt.
Was bleibt ist die Einführung einer blauen Plakette, ggf. in Abstufungen (hellblau, dunkelblau). Der zukünftige Verkehrsminister Scheuer hat sich bereits gegen die Einführung ausgesprochen.
tagesschau.de/inland/diesel-plaketten-105.html
Auch bei den anderen GroKo-Partnern scheint es nicht gerade Begeisterung über Dieselfahrverbote zu geben. Ich denke dennoch, dass die zukünftige Bundesregierung sich einer Plakettenlösung nicht dauerhaft wird verschließen können. Doch das alles geht nicht von heute auf morgen und wird vermutlich auch davon abhängig gemacht werden, ob es für die Euro-5-Fahrzeuge Nachrüstmöglichkeiten mit einem SCR-Kat geben wird, was nach meiner Einschätzung ebenfalls noch ein paar Jahre dauern wird, bis alle Tests, Genehmigungsverfahren und sonstige erforderlichen Vorbereitungen abgeschlossen sind.
Daher mache ich mir im Augenblick um die angekündigten Fahrverbote keine Sorgen. Wer sich mit dem Gedanken eines Neuwagenkaufs trägt, sollte aber in jedem Fall darauf achten, dass das Fahrzeug bereits der neuesten Norm EURO 6d-TEMP entspricht, auch wenn diese Norm für neu zugelassene Fahrzeuge erst zum 01.09.2019 verbindlich wird. Nur das Käuferverhalten kann den erforderlichen Druck auf die Automobilindustrie erzeugen, dass neue Normen früh umgesetzt wird und nicht wieder auf den letzten Drücker. Und Diesel-Fahrzeuge, die nicht einmal über einen SCR-Kat verfügen, wie sie VW und andere Hersteller immer noch anbieten, sollten bei einem Neuwagenkauf eigentlich völlig tabu sein.
Andreas